Steuerhinweis für Rentner Nr. 120             www.helmutlaser.com                   24.9.2019
Die Vorschläge der SPD für eine gerechtere Besteuerung 

Die SPD sucht nach dem Rücktritt von Andrea Nales eine neue Vorsitzende bzw. Vorsitzenden und strebt ein Duo an, für das sich z.Zt. noch 7 Kandidatenpaare bewerben und dabei z.T. auch ihre Vorstellungen zu einer gerechteren Besteuerung kundgetan haben. Dabei stehen neben einer grundlegenden Neuordnung der Einkommen- und Ertragsteuern auch Veränderungen bei den Substanzsteuern und der Umsatzsteuer zur Diskussion. In dieser Info wird zusammengefasst, inwieweit diese Vorschläge neu sind oder bereits in früheren Jahren diskutiert wurden sowie auch den Überlegungen entsprechen, die ich in meinen Steuerhinweisen für Rentner veröffentlicht habe.

1. Reform der Einkommensteuer
Das Bewerberduo Walter-Borjans und Esken will das System der Einkommens- und Ertragsteuern umbauen und fordert eine Besteuerung, bei dem nicht mehr die Grenz- und Spitzensteuersätze im Mittelpunkt stehen, sondern stattdessen der Durchschnittssteuersatz eines jeden Steuerzahlers ausschlaggebend sein soll. Dabei soll der Grundfreibetrag für Ledige auf 12.000 € und für Verheiratete auf 24.000 € angehoben werden. Die angebliche Ungleichbehandlung von Kapitalerträgen und Erwerbseinkommen soll beseitigt werden, was eine Abschaffung bzw. Erhöhung der Abgeltungssteuer bedeutet. Das Ehegattensplitting soll durch einen Familientarif mit Kinderbonus ersetzt und der Splittingvorteil auf 7.000 € gedeckelt werden. Der derzeitige Kinderfreibetrag soll für Besserverdienende abgeschafft und durch eine Kindergrundsicherung ersetzt werden. Die Abzugsfähigkeit von Großspenden soll begrenzt und die Jagd auf Steuersünder intensiviert werden.
Darüber hinaus ist die Abschaffung des Solidaritätszuschlags durch die derzeitige Regierung für 90 % der Steuerzahler bereits beschlossen (Info 119). Vereinfachte Veranlagungsverfahren wie vorausgefüllte Steuererklärungen werden bereits angestrebt und nun auch vom Kandidatenduo Prätorius gefordert.

2. Substanz- und Umsatzsteuern
Die Wiedereinführung der Vermögensteuer für höhere Vermögenswerte wird nicht nur von Walter-Borjans und Eskens, sondern auch vom Präsidium der SPD und von Thorsten Schäfer-Gümbel sowie vom SPD Kandidatenduo Lauterbach und Scheer gefordert. Walter-Borjans will außerdem die Grundsteuer durch eine nicht auf Mieter umlegbare Bodenwertsteuer ersetzen und das Unternehmensprivileg bei der Erbschaftsteuer streichen. Schließlich denkt das Duo über die Senkung der MWSt nach.

3. Wie neu sind diese Vorschläge?
Meine Beiträge der Vergangenheit haben in fast allen der jetzigen Forderungen einer Besteuerungsänderung eine Stellungnahme oder gar eigene Vorschläge gebracht. Dabei standen die Steuervereinfachung bei der Einkommensbesteuerung und bei der Umsatzsteuer und die Steuergerechtigkeit im Vordergrund (Info Nr. 98 "Gedanken zur Jahreswende 2017/8" und 116 "Die großen Probleme unserer Zeit und deren Vision für die Zukunft" vom 20.3.2019).

3.1. Einkommensteuerreform 
Das Thema Abschaffung des Solidaritätszuschlags hat m.E. die Idee der Abschaffung des Ehegattensplittings und die Beseitigung der kalten Progression durch Abschaffung des progressiven Steuertarifs sowie die Vereinfachung und bessere Überschaubarkeit des Besteuerungsverfahrens wieder leichter realisierbar gemacht. Die in der Info Nr. 116 unter 3 beschriebene Einkommensbesteuerung mit einem Staffeltarif würde unter bleichzeitiger Abschaffung des Solidaritätszuschlags die von Walter-Borgans geforderte Systemumstellung mit den dabei vorgeschlagenen Verbesserungen ermöglichen und auch die vorgefertigte Steuererklärung wie in der Info 98 unter 6 beschrieben vereinfachen. Sollte dabei allerdings die Abgeltungssteuer gestrichen werden, würde die Ungleichheit der Belastung von Dividendeneinkünften durch die bei der ausschüttenden Gesellschaft erhobene Körperschaftsteuer auszugleichen sein (siehe Info Nr. 93 "Der Streit um die Abgeltungssteuer im Bundestagswahlkampf 2017" sowie Info 92 Ziffer 3).

3.2. Wiedereinführung der Vermögensteuer
Die SPD fordert eine Wiedereinführung der Vermögensteuer von ein bis zwei Prozent der größten Vermögen in Deutschland. Da dieses Thema in der Koalitionsvereinbarung nicht festgelegt wurde, will Lauterbach daran sogar die große Koalition scheitern lassen. 1996 wurde die Vermögensteuer ausgesetzt, weil das Bundesverfassungsgericht die Gerechtigkeit der Bemessungsgrundlagen bemängelte. Um eine gerechte Besteuerung des Vermögens zu erreichen, müssen bei den unterschiedlichen Vermögensarten vergleichbare Bemessungsgrundlagen geschaffen werden. Dabei ist die Bewertung des Grundvermögens durch Ermittlung eines dem Barvermögen vergleichbaren Einheitswertes bereits in der Vergangenheit nicht nur arbeitsintensiv, sondern auch problematisch gewesen. Die Bewertung des Anlagevermögens von Industrieunternehmen hat schließlich auch dazu geführt, dass von der Vermögensteuer abgesehen wurde. 
Die Einführung einer Vermögensteuer für nicht alle Vermögenswerte würde sicher die Bundesverfassungsrichter wieder auf den Plan rufen. Das Problem des Auseinanderdriftens von Arm und Reich läßt sich dadurch nicht lösen, zumal wegen fehlender Verzinsung eine Vermögensteuer für bestimmte Vermögensgruppen zu einem Substanzverzehr führen und schon deshalb auf wenig Gegenliebe stoßen würde.

3.3. Grundsteuer- und Erbschaftsteuerreform
Das Bundesverfassungsgericht hatte im April 2018 die bisherigen Vorschriften zur Erhebung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt und bis Ende 2019 eine Neuregelung gefordert. Seitdem werden bei der SPD und auch anderen Parteien die verschiedensten Modelle diskutiert. Bundesfinanzminister Scholz will sich nach Bodenwert und Miete richten. Der niedersächsische Finanzminister Hilbers (CDU) schlägt vor, dass sich die Grundsteuer künftig an Fläche und Lage des Grundstücks orientiert. Das SPD-Kandidatenduo Walter-Borjans und Esken schlagen vor, die Grundsteuer durch eine Bodenwertsteuer zu ersetzen, die nicht auf die Mieter umgelegt werden darf.
Ob mit den Vorschlägen Mieterhöhungen vermieden werden können, wird schon jetzt bezweifelt, weil dadurch die Belastungen der Vermieter steigen und diese ohne Mietdeckel über die Mietpreise weitergegeben würden. Außerdem könnte dieses die notwendige Schaffung von neuem Wohnraum negativ beeinflussen.

Die Streichung der Unternehmensprivilegien bei der Erbschaftsteuer würde die Fortführung von Familienunternehmen durch den Erben erheblich beeinträchtigen, weil die Steuer ggf. die Unternehmenssubstanz angreift und zu Unternehmensauflösungen und Arbeitnehmerkündigungen führt.

3.4. Umsatzsteuersenkung
Eine allgemeine Senkung des Umsatzsteuersatzes kann nicht im Interesse Deutschlands liegen, weil erst mit der Erhöhung auf 19% das Steuerniveau dem europäischen Level angepasst und dadurch Nachteile beim grenzüberschreitenden Verkehr (Reimporte bei der Automobilindustrie) beseitigt wurden. Außerdem führen der ermäßigte Steuersatz für Lebensmittel und die Steuerfreiheit bestimmter Dienstleistungen (Gesundheitswesen und Mieten) dazu, dass ein wesentlicher Teil des Lebensbedarfs mit 7% schon jetzt geringer besteuert oder gar steuerfrei gestellt wird. Allerdings sollte der Katalog der Begünstigungsfälle überprüft und ggf. an die Entwicklung angepasst werden.
Darüber hinaus ist das derzeitige Mehrwertsteuersystem dadurch unpraktikabel, dass grenzüberschreitende Waren- und Dienstleistungen bei Export steuerfreigestellt und bei der Einfuhr versteuert werden und mit der Zusammenfassenden Meldung den Unternehmen arbeitsintensive Nachweise abverlangt werden. Die von mir bereits vor 20 Jahren vorgeschlagene Besteuerung dieser Umsätze mit einem EG-einheitlichen Steuersatz (Info 98 "Gedanken zur Jahreswende 2017/8") konnte innerhalb der EU bisher nicht durchgesetzt werden, was auch zu großen Steuerausfällen geführt hat.



4. Fazit
Obgleich die von der großen Koalition im Koalitionsvertrag festgelegten Maßnahmen zur Halbzeit der Legislaturperiode noch lange nicht umgesetzt wurden, werden im Zusammenhang mit der Kandidatenwahl für den SPD-Bundesvorstand neue Vorschläge bzw. Forderungen für die künftige Besteuerung gemacht, die sich in der jetzigen Koalition nicht werden umsetzen lassen und daher nur als Wahlkampf-Themen gewertet werden können. Dennoch gibt diese Diskussion Anlass dazu, über die Sinnhaftigkeit und Machbarkeit der Vorschläge nachzudenken und mit den eigenen Auffassungen und Vorstellungen zu vergleichen. Vielleicht führt eine neue Regierung in Kürze oder bei der nächsten Wahl dazu, dass einiges davon umgesetzt wird und zur Gerechtigkeit und Vereinfachung der Besteuerung beiträgt.

Helmut Laser