Steuerhinweis für Rentner Nr. 144 www.helmutlaser.com 25.09.2021
Was hält der unabhängige Wissenschaftliche Beirat von "bedingungslosen Grundeinkommen (BEG)"?
In den im Zusammenhang mit der Bundestagswahl diskutierten Problemen wird von verschiedenen Parteien die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens zur Beseitigung der zwischen Arm und Reich steigenden Ungerechtigkeit angestrebt. Danach soll allen Bürgern ein fester monatlicher Betrag ohne Anknüpfung an Bedingungen ausgezahlt werden. Das Arbeitslosengeld I und II, das Sozialgeld, das Kindergeld sowie die Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter soll dafür entfallen und dadurch soll außerdem eine radikale Vereinfachung und Endbürokratisierung der sozialen Absicherung möglich gemacht werden. Schon seit Jahren wird dieses Thema von den Parteien diskutiert.
Die FDP sprach in den 1990er Jahren von einem "liberalen Bürgergeld", die Grünen sprechen sich bereits 2020 für ein BEG ohne Bedürftigkeitsprüfung und Arbeitsauflagen aus, die Linke setzt sich für ein emanzipatorisches Grundeinkommen ein und die AfD schlägt ein bedingtes Grundeinkommen nur für Staatsbürger vor, die nicht wegen steuer-, arbeits- oder sozialversicherungsrechtlicher Delikte verurteilt wurden.
Nunmehr hat sich der unabhängige wissenschaftliche Beirat in seinem Gutachten mit dem BEG auseinandergesetzt und kommt dabei zu folgendem Ergebnis:
Finanzierungsalternativen
Bei 83,1 Mio Anspruchsberechtigten führt die Einführung des BGE zu einem jährlichen Finanzierungsbedarf von 998 Mrd. Euro. Würde das gesamte Sozialbudget von ca. 1.040 Mrd. Euro dafür aufgegeben, wäre das BEG dadurch problemlos zu finanzieren. Viele Positionen des Sozialbudgets könnten jedoch nicht gegengerechnet werden, weil die private und betriebliche Altersvorsorge, sowie die Entgeltfortzahlung zwar Bestandteil des Sozialbudgets sind, aber nicht über Steuern oder Beiträge finanziert werden, sondern privat durch Arbeitnehmer und/oder Arbeitgeber. Außerdem fallen die Kosten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Beihilfe für Beamten weiterhin an. Sie können daher ebenso wie die Renten und Pensionszahlungen nicht zur Finanzierung der BEG verwendet werden, weil es sich um Ansprüche mit eigentumsrechtlichem Charakter handelt. Zahlt man für Erwachsene im Monat 1.208 Euro und für ein Kind 684 Euro, steigt der Finanzierungsbedarf auf 1.119 Mrd. Euro und ist erst recht nicht durch Gegenfinanzierungen ausgleichbar.
Nach den Berechnungen des Ausschusses würden
1. der Einstig in das BEG mit monatlich 175 Euro durch Abschaffung des steuerlichen Grund- und Kinderfreibetrags finanzierbar sein,
2. eine Absicherung des alljährlichen Bedarfs (446 € für Erwachsene und 373 € für Minderjährige) durch aufkommensneutrale Abschaffung der steuerlichen Freibeträge und der Regelleistungen in der Grundsicherung finanziert werden können,
3. der Standardvorschlag von 1.000 € für Erwachsene und 500 € für Minderjährige und
4. ein existenzsicherndes BEG von 1.208 € für Erwachsene und 684 € für Minderjährige
nur durch Abschaffung der steuerlichen Freibeträge, der Grundsicherung und des Alg 1, Anhebung des Einkommensteuertarifs (Variante A) bzw. Einführung einer proportionalen Einkommensteuer (Variante B) zu finanzieren sein.
Steuersatzerhöhungen
Die genannten Szenarien weisen gegenüber dem Status quo deutlich höhere Steuerbelastungen aus.
Eine aufkommensneutrale Steuererhöhung von 12 %-Punkte mit einem Eingangssteuersatz von 26 % bereits auf den ersten Euro des Bruttoeinkommens und einem Spitzensteuersatz von 54 % wären sogar noch relativ moderat.
Bei dem Standardvorschlag (1.000 € / 500 €), der mit einer Absenkung der Mindestabsicherung in einigen Regionen einher gehen würde, ist selbst bei Grenzsteuersätzen von 90% und mehr eine aufkommensneutrale Gegenfinanzierung nicht mehr möglich.
Selbst ohne Änderung der Beschäftigungslage sind bei Szenarien mit umfassenden BEG Steuersätze von 77 bis 88% zur Gegenfinanzierung erforderlich.
Grenzsteuersätze in der genannten Höhe werfen auch die Frage auf, ob sie verfassungsrechtlich überhaupt zulässig sind. Nach der Rechtsprechung ist diese Entscheidung mindestens in jedem Einzelfall zu prüfen, wobei Durchschnittssteuersätze von 75% und mehr auch nach Auffassung des Beirats ernsthafte verfassungsrechtliche Probleme hervorrufen.
Zusammenfassung
Das BEG gewinnt in Deutschland immer mehr an Zustimmung. Mit einem allen Bürgern garantierten Grundeinkommen in existenzsichernder Höhe ließen sich die meisten Sozialleistungen und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vollständig ersetzen. Der Sozialstaat ließe sich außerdem entbürokratisieren. Mit dem BEG wäre allerdings ein umfassender Umbau des Sozialstaates verbunden.
Die Finanzierungsprobleme sprechen aus der Sicht des Beirats jedoch eindeutig gegen die Einführung eines BEG. Der Verzicht, Sozialleistungen von einer Bedürftigkeitsprüfung durch staatliche Institutionen abhängig zu machen, führt neben den erforderlichen Steuererhöhungen dazu, dass die Kontrolle derjenigen, die mit Arbeitseinkommen das BEG finanzieren, massiv ausgedehnt werden muss, was eine Auswanderung vieler Leistungsträger erwarten lässt.
In einer offenen Gesellschaft ist daher nach Auffassung des Beirats ein bedingungsloses existenzsicherndes BEG nicht umsetzbar. Die für die Nachhaltigkeit von Sozialsystemen so wichtigen Gedanken der Subsidiarität und des Gebens und Nehmens werden zugunsten eines unbedingten Nehmens aufgegeben und dadurch die Grundlagen des Sozialsystems erschüttert. Denn das dem Sozialstaat innenwohnende Solidaritätsprinzip wird durch ein BEG einseitig zugunsten eines unbedingten Anspruchs des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft aufgegeben. Die Stärkung der gesellschaftlichen Solidarität durch ein BEG ist somit lt. Beirat mehr als fraglich.
Helmut Laser
Anmerkung: Der Beitrag fasst die Ergebnisse des 40 Seiten langen Gutachtens zusammen, das der unabhängige Wissenschaftliche Beirat im September 2021 veröffentlicht hat und zitiert wesentliche Aussagen daraus.