Steuerhinweis für Rentner Nr. 76                                                        27.7..2016


   Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

 

1. Vorbemerkung
Am 17.6.2016 hat der Bundestag dem „Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“ zugestimmt und damit grünes Licht für ein modernes Besteuerungsverfahren gegeben. Nunmehr können auf der Basis der neuen gesetzlichen Grundlagen die Maßnahmen organisatorisch und vor allen Dingen auch automationstechnisch umgesetzt werden. Da die Neuregelungen weitgehend bereits am 1.1.2017 in Kraft treten sollen, wird es Zeit, die neuen Vorschriften publik zu machen und der breiten Masse der Steuerbürger für die praktische Anwendung zu erläutern.

2. Ziele des Gesetzes
Die wichtigsten Aspekte des Gesetzes werden durch Änderung der Vorschriften der Abgabenordnung (AO) umgesetzt und sind

  • die sachgerechte Weiterentwicklung des steuerlichen Untersuchungsgrundsatzes,
  • die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen für die „vollautomatische Bearbeitung
    von Steuererklärungen,
  • Vereinfachungen bei der Steuererklärung,
  • Neuregelung bei den Steuererklärungsfristen und dem Verspätungszuschlag,
  • die elektronische Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Datenabruf und
  • die Schaffung einer Änderungsmöglichkeit von Steuerbescheiden bei Rechen- und Schreibfehlern des Steuerpflichtigen im Rahmen der Erstellung der Steuererklärung.

      

Was verbirgt sich hinter den einzelnen Aspekten?

3. Weiterentwicklung des Untersuchungsgrundsatzes
Bei der Überprüfung der Angaben in der Steuererklärung und anderer relevanten Besteuerungsdaten hat die Finanzverwaltung auch künftig die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Gesetzesänderung erlaubt den Finanzbehörden (§ 88 AO) bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen auch Wirtschaftlichkeits- und Zweckmäßigkeitsaspekte zu berücksichtigen, dabei darf dieser Grundsatz nicht zum völligen Verzicht auf Überprüfung führen, sondern für eine hinreichende Anzahl zufällig ausgewählter Fälle eine vertiefte Überprüfung ermöglichen.

Bei hinreichendem Anlass müssen die Finanzbeamten auch eine umfassendere Prüfung ungeachtet von Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit durchführen können. Das gilt z.B. bei unzulänglichen Steuererklärungen oder unklaren Sachverhalten oder deren rechtliche Beurteilung.

4. „Vollautomatische“ Bearbeitung von Steuererklärungen
Die Abgabenordnung enthält künftig gesetzliche Regelungen für vollständig automationsgeschützt erlassene Steuerbescheide. Die vollautomatische Bearbeitung darf nur erfolgen, wenn kein Anlass für eine individuelle Prüfung durch den Amtsträger besteht.

Ein Anlass liegt z.B. vor, wenn der Steuerpflichtige im so genannten Freitextfeld Eintragungen vornimmt wie Bitte um intensive Prüfung oder Hinweis auf abweichende Rechtsauffassung. Auch Abweichungen zwischen den Eintragungen in der Steuererklärung und den Mitteilungen Dritter wie Arbeitgeber oder Rentenversicherer erfordern eine individuellere Prüfung.

5. Vereinfachungen bei den Steuererklärungen
Schon heute haben Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger der zuständigen Finanzverwaltung die Lohn- und Lohnabzugsbeträge, Rentenleistungen, Renten- und Krankenversicherungsbeiträge und Lohnersatzleistungen elektronisch zu übermitteln. Der Steuerpflichtige ist über die an die Finanzverwaltung mitgeteilten Daten zu informieren (siehe § 93 c AO).

Bei Erstellung der Steuererklärung mittels ELSTER werden diese Daten automatisch in die entsprechenden Vordrucke eingetragen. Wenn der Steuerpflichtige diese für vollständig und richtig hält, gelten sie als eigene Angaben, so dass seine Erklärung als vollständig gilt. Sind die übermittelten Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig, ist der Steuerbescheid aufzuheben oder zu berichtigen, auch wenn der Fehler erst nach Ablauf der Einspruchsfrist festgestellt wird (§ 150 Abs. 7 und § 175 b Abs. 2 AO).

Die Beifügung von Unterlagen kann künftig entfallen. Sie müssen ggf. nur auf Anfrage nachgereicht werden. Für behinderte Menschen entfällt der bisher regelmäßig notwendige Nachweis des Grades der Behinderung bzw. Pflegebedürftigkeit, wenn lediglich die Pauschbeträge in Anspruch genommen werden. Die Belege wie Spendenbelege sollten jedoch bis zur Rechtskraft des Bescheides und ggf. einer späteren Nachprüfung aufbewahrt werden.

Diese Möglichkeit der Eintragung der genannten Daten in eine vom Finanzamt vorgefertigte Steuererklärung ließe die Besteuerung für viele Rentner oder Geringverdiener vereinfacht ohne Abgabe einer Steuererklärung durchführen (siehe 9.).

6. Neuregelung der Steuererklärungsfristen und des Verspätungszuschlags
Die Regelung gilt erst ab Steuererklärung 2018. Bis zum Veranlagungszeitraum 2017 gelten die bisherigen Vorschriften.

Erstmals für die Steuererklärung 2018 gilt, dass diese bei nicht beratenen Steuerpflichtigen erst zum 31. Juli des Folgejahres (31.7. statt bisher 31.5.) abzugeben sind (§ 149 Abs. 2 bzw. 3 AO). In sogenannten Beraterfällen wird die Abgabefrist ebenfalls um 2 Monate bis zum 28.2. des Zweitfolgejahres verlängert, für die Steuererklärung 2018 also bis 2020). Voraussetzung ist aber, dass die Berater die Steuererklärungen ihrer Mandanten kontinuierlich abgeben. Anderenfalls können die Erklärungen vom Finanzamt mit einer 4-monatigen Frist vorab angefordert werden.

Bei verspäteter Abgabe kann auch heute bereits ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden (§ 152 AO). Auch künftig wird die Höhe des Zuschlags im Ermessen der Finanzbehörde liegen. Bei erheblichen Verstößen wird die Festsetzung eines Verspätungszuschlags aber obligatorisch sein (Ausnahme in null-Fällen und bei Erstattungen). Die Berechnungsmodalitäten werden künftig gesetzlich vorgegeben. Der Mindestverspätungszuschlag soll 25 € je angefangenen Verspätungsmonat betragen.

7. Bekanntgabe von Steuerbescheiden mittels Datenabruf (Download)
Der neue § 122 a AO regelt die elektronische Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten (insbesondere von Steuerbescheiden) durch Bereitstellung zum Datenabruf. Die zum Datenabruf befugte Person erhält per E-Mail eine Benachrichtigung. Der Verwaltungsakt gilt dann am dritten Tag nach Versand der Benachrichtigung als bekannt gegeben und wird dann für alle Beteiligten rechtlich wirksam, das heißt, die einmonatige Einspruchsfrist und Zahlungsfrist beginnen zu laufen.

8. Neue Änderungsmöglichkeiten bei Rechen- und Schreibfehlern des Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung (§ 173 a AO)
Erkennt ein Steuerpflichtiger vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn z. B. durch einen Steuerberater abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen. Diese Verpflichtung trifft auch den Gesamtrechtsnachfolger (Erben) oder die für den Steuerpflichtigen handelnden Personen (Steuerberater).

Das Bundesfinanzministerium hat am 23.5.2016 einen Anwendungserlass herausgegeben, der Einzelfragen dieser Regelung beantwortet und die Anzeige- und Berichtigungspflicht von der Selbstanzeige abgrenzt sowie weitere Fragenkomplexe wie Umfang und Zeitpunkt der Anzeige sowie verpflichtete Personen erläutert.

9. Ziel und Umsetzung des Gesetzes
Die Finanzverwaltung verspricht sich durch den zielgerichteten Einsatz von Informationstechnologie positive Auswirkungen auf die bisherigen Arbeitsprozesse in der Finanzverwaltung. Bei Nutzung von ELSTER entfallen z.B. die Kosten durch Umsetzung der Daten einer manuell erstellten Steuererklärung in das elektronische Verfahren der Finanzverwaltung und durch die online-Bereitstellung der Steuerbescheide sonst entstehende Portokosten. Ferner wird durch die automatische Übernahme der vom Arbeitgeber, Sozialversicherungsträgern und Geldinstituten elektronisch gemeldeten Daten die Prüfung dieser Daten überflüssig und ggf. Nachfragen beim Steuerpflichtigen entbehrlich.

Problematisch wird es sein, möglichst viele Steuerpflichtige zur Abgabe elektronischer Steuererklärungen zu bewegen, denn nicht jeder ist in der Lage, die Systeme (ELSTER) zu bedienen. Viele insbesondere ältere Menschen haben keine notwendige Hardware oder nur wenig Kenntnisse für die Nutzung eines Laptops oder sie scheuen die Nutzung anonymer Systeme. Gerade Personen mit geringen Einkünften, die bisher keine Steuererklärungen abgegeben haben, werden von Steuerberatern oder Steuerhilfevereinen als Klienten angeworben, auch wenn die Höhe der Einkünfte die Grundfreibetragsgrenze nicht übersteigt. Schon 2012 habe ich unter www.helmutlaser.de mit dem Steuerhinweis für Rentner Nr. 41 einen Vorschlag eines „vereinfachten Verfahrens für Rentner und Arbeitnehmer als Übergangslösung“ gemacht, der dieses Problem lösen könnte.

Für die Umsetzung des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens bedarf es noch viel Aufklärung und möglichst eine von Amtswegen auf Basis der gemeldeten Renten- und Lohneinkünfte erstellte „vorgefertigte Steuererklärung“, mit der im Vorfeld dokumentiert werden könnte, dass das Einkommen nicht zu einer Steuerschuld führt und damit eine Steuererklärung nicht abzugeben ist.

Unter www.helmutlaser.de Steuerhinweis für Rentner Nr. 57 vom 7.2.2015 wird die vorausgefüllte Steuererklärung erläutert. Die Teilnahme erfordert eine einmalige kostenlose Registrierung am ElsterOnline-Portal mit der persönlichen Identifikationsnummer. Das Verfahren ist unter 1.3. der Info 57 beschrieben. Schließlich ist von der Finanzverwaltung auch sicher zu stellen, dass das Programm mit jeder gängigen Hard- und Software (Windows und Apple) genutzt werden kann.

Helmut Laser